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Health-Claims-Verordnung
Pressemitteilung vom 26.01.2012 des NEM-Verbandes
Europäische Verordnung hebelt Verbraucherinteressen aus und hat europäische Verfassung und Grundgesetz verletzt
Die Verordnung 1924/2006/EG über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung) gilt schon seit dem 01. Juli 2007. Gemäß Artikel 13 Abs. 3 der Verordnung sollte eigentlich bis spätesten 31. Januar 2010 eine Gemeinschaftsliste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben veröffentlich werden. Bis heute ist dieses Ziel jedoch nicht durch die Europäische Kommission realisiert worden. Allerdings liegen bereits eine Vielzahl von wissenschaftlichen Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor, die viele beantragte gesundheitsbezogene Angaben der Lebensmittelindustrie negativ bewertet hat. Am 05. Dezember 2011 wurde im Ständigen Ausschuss der erste Entwurf einer teilweisen Gemeinschaftsliste diskutiert. Von mehreren tausenden beantragten gesundheitsbezogenen Angaben sollen nun lediglich 222 zugelassen werden. Der weitaus größte Anteil betrifft Vitamine und Mineralstoffe.
Für die formale Verabschiedung der entsprechenden Gemeinschaftsliste bedarf es nun der Zustimmung des Europäischen Parlamentes und des Rates. Mit einer möglichen formellen Annahme der Liste könnte für die Jahreshälfte 2012 zu rechnen sein. Wie die zahlreichen Negativ-Beurteilungen durch die EFSA zeigen, wird mit den restriktiven Regelungen der Health-Claims-Verordnung signifikant in die Informations- und Meinungsäußerungsrechte der Lebensmittelindustrie eingegriffen. Die Verordnung verbietet pauschal die Verwendung aller nährwertbezogener Angaben, sofern sie nicht in der Positivliste des Anhangs aufgeführt sind (Artikel 8 der Verordnung). Darüber hinaus verbietet die Verordnung alle gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Artikel 10, sofern sie nicht den übrigen Anforderungen der Verordnung entsprechen und gemäß der Verordnung ausdrücklich zugelassen wurden.
Darüber hinaus sieht die Verordnung eine Vielzahl von Totalverboten vor, die unabhängig davon gelten sollen, ob die Werbeaussagen irreführend sind oder nicht. Der Verband hat deshalb den lebensmittelrechtlichen Beirat Dr. Thomas Büttner beauftragt, die Rechtmäßigkeit der Verordnung zu überprüfen. Herr Dr. Thomas Büttner kam zu dem Ergebnis, dass die Health-Claims-Verordnung rechtswidrig ist. Zunächst fehlt es bereits an der ausreichenden Gesetzgebungskompetenz des europäischen Gesetzgebers. In den einschlägigen Gemeinschaftsregelungen gibt es keine Kompetenz des europäischen Gesetzgebers für Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Kernbereich der Verordnung gesundheitspolitischer Art ist.
Darüber hinaus wird durch die zahlreichen gesetzlichen Verbotstatbestände der Verordnung in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmen eingegriffen. Dies betrifft das Grundrecht der Meinungsfreiheit und der Berufsausübungsfreiheit. Natürlich sind diese Rechte der Lebensmittelindustrie mit den Verbraucherschutzrechten abzuwägen. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch immer wieder in der Vergangenheit betont, dass Totalverbote unverhältnismäßig sind, wenn mildere Maßnahmen ebenfalls den angestrebten Zweck erfüllen können. So hat z.B. der EuGH bereits das Verbot von gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel durch den Österreichischen Gesetzgeber als unverhältnismäßig bewertet und aufgehoben (EuGH, Slg. 2003, I-1007 ff. – Kommission/Österreich). Ebenso hat der EuGH in seinem Urteil vom 15.07.2004 (GRUR Int. 2004, 1016) das Pauschalverbot von schlankheitsfördernden Werbeaussagen für Lebensmittel durch den Mitgliedsstaat Belgien als rechtswidrig beurteilt.
Unserer Ansicht nach bestehen deshalb gute Erfolgsaussichten, dass der EuGH auch die restriktiven Verbotstatbestände der Health-Claims-Verordnung 1924/2006/EG als rechtswidrig qualifiziert. Hinzu tritt, dass die Verordnung sogar völlig unabhängig von einem Irreführungstatbestand, sachlich zutreffende Angaben verbietet. So dürfen gemäß Artikel 8 nur die nährwertbezogenen Angaben verwendet werden, die im Anhang zu der Verordnung aufgeführt sind. Sachlich zutreffende andere nährwertbezogene Angaben sollen daher nicht mehr zulässig sein. Eine sachliche oder juristische Begründung gibt es hierfür nicht.
Dies gilt ebenfalls für das Totalverbot gesundheitsbezogener Angaben für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % Vol. sowie Angaben über Dauer und Ausmaß von möglicher Gewichtsabnahme und Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe verweisen. Darüber hinaus ist noch immer geplant, dass die Europäische Kommission Nährwertprofile festsetzen soll, die ebenfalls die Verwendung von gesundheitsbezogenen Aussagen zukünftig unmöglich macht oder zumindest stark einschränken soll. Bisher konnte jedoch keine Einigung über die fachwissenschaftlichen Grundlagen eines solchen Nährwertprofils erzielt werden. Darüber hinaus ist festzustellen, dass eine Vielzahl der von der EFSA vorgelegten wissenschaftlichen Bewertungen von beantragten gesundheitsbezogenen Angaben verhältnismäßig restriktiv erfolgen. So ist z.B. nicht nachvollziehbar, dass die französische Gesundheitsbehörde noch vor wenigen Jahren ausdrücklich bestätigt hat, dass die in Cranberries enthaltenen PAC die gesunde Blasenfunktion unterstützen können, die EFSA jedoch nun entsprechende gesundheitsbezogene Angaben als wissenschaftlich nicht belegt zurückweist. Darüber hinaus werden von der Verordnung der EFSA sämtliche klinische Studien als nicht ausreichend zurückgewiesen, wenn sie sich auf die Reduzierung eines Krankheitsrisikos beziehen und nicht einen Risikofaktor betreffen. Die Studie kann noch so gut sein und den wissenschaftlichen Goldstandards entsprechen, wenn sie sich nicht auf einen Risikofaktor bezieht, wird sie nicht berücksichtigt. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.
Zu welcher Rechtsunsicherheit die Verordnung geführt hat zeigt, dass sowohl der BGH, wie auch das Bundesverwaltungsgericht bereits Vorlagefragen an den Europäischen Gerichtshof gestellt haben, wie der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe auszulegen ist. Hier hat bereits Unklarheit darüber bestanden, ob die Begriffe „bekömmlich“ und „wohltuend“ als gesundheitsbezogene Aussagen im Sinne der Verordnung anzusehen sind. Der Verband hat Herrn Dr. Büttner beauftragt, gegenüber der Europäischen Kommission und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Rechtswidrigkeit der Verordnung zu vertreten.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der Verordnung gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen signifikant benachteiligt werden. Die EFSA fordert für die Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben zwingend die Vorlage placebokontrollierter klinischer Humanstudien in einer Qualität, die nahezu einer Arzneimittelzulassung gleichkommt. Damit werden Lebensmittel noch restriktiver behandelt als kosmetische Erzeugnisse und zum Teil auch traditionelle Arzneimittel, die ohne Wirksamkeitsnachweis allein aufgrund ihrer traditionellen Verwendung mit bestimmten Indikationen beworben werden dürfen. Um entsprechende von der EFSA anzuerkennende placebokontrollierte klinische Studien durchzuführen, bedarf es eines solchen finanziellen Aufwandes, der regelmäßig von kleinen mittelständischen Unternehmen nicht zu tragen ist. Hieran zeigt sich, dass die Verordnung maßgeblich die großen Lebensmittelkonzerne bevorteilt. In den Erwägungsgründen 32 und 33 der Verordnung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) selten die finanzielle Kapazität zur Durchführung von Forschungstätigkeiten besitzen und dennoch für die europäische Lebensmittelindustrie einen erheblichen Mehrwert bedeuten, was die Qualität und die Bewahrung unterschiedlicher Ernährungsgewohnheiten betrifft. Dennoch bedeutet die Verordnung in der Praxis, dass kleinere und mitteständische Unternehmen jedenfalls von innovativen Lebensmittelentwicklungen faktisch ausgeschlossen sind.
Die Verordnung dient in der Praxis nicht nur dazu, dass die Lebensmittelindustrie daran gehindert wird, sachlich zutreffende und ernährungsphysiologisch relevante Informationen über die von ihr entwickelten und hergestellten Produkte zu kommunizieren. Auch die Verbraucher werden an für sie interessanten Gesundheitsinformationen gehindert. Könnten die Unternehmen keine entsprechende Werbung mehr durchführen, behindert dies die zukünftige technologische Innovation in der Lebensmittelwirtschaft.